Wunder von BernHintergrund /  Doping
 

 Waren die Helden von Bern gedopt?
 

Neuere Veröffentlichungen in Schrift und Bild zum Thema sprechen immer wieder von Doping im Zusammenhang mit dem Weltmeistertitel von 1954. Was ist dran an diesen Vorwürfen? Ist der Weltmeistertitel mehr der Pharmazie als Sepp Herberger und seinen Spielern zu verdanken? 

 

 Was wurde gespritzt?

  

Der medizinische Betreuer der Weltmeisterelf, Dr. Loogen (heute als Kardiologe bekannt) gab kürzlich in Interviews zu, den Spielern Spritzen mit Vitamin C verabreicht zu haben. Auch von Injektionen mit Traubenzucker ist von dritter Seite die Rede. Tatsächlich hat Dr. Loogen den Spielern allerdings keinen Traubenzucker gespritzt, was auch wenig Sinn machen würde, denn Traubenzucker gelangt nach der oralen Aufnahme in Sekundenschnelle ins Blut. Spritzen würde dies kaum beschleunigen. 

  

Daß Vitamin C und Traubenzucker dem menschlichen Körper gut tun, von Leistungssteigerung ist allerdings weniger zu sprechen, ist heute allgemein bekannt. Auch 1954 gehörte dies zu grundlegenden Erkenntnissen der Wissenschaft. Naheliegend ist es daher, daß auch die ungarische Mannschaft diese Stoffe zu sich genommen hat. Torhüter Gyula Grosics bestätigte erst kürzlich, daß auch ihrer Mannschaft sowohl Traubenzucker als auch Vitamin C gegeben wurde. Allerdings wurden die Mittel nicht gespritzt, sondern in Tablettenform zu sich genommen.

  
 Medizinischer und juristischer Standpunkt
 

Nach medizinischen Gesichtpunkten kann - auch aus heutiger Sicht - nicht von Doping gesprochen werden. Die verabreichten Stoffe, sei es Vitamin C, Dextrose oder beides, waren überdies schon juristisch nie als verbotene, leistungssteigernde Substanzen verboten. Daß sie gespritzt wurden, hatte lediglich den Vorteil, daß sie so noch schneller ins Blut gelangten, als über den "normalen" Weg der Lebensmittelaufnahme. Aber selbst dieser vermeintliche Vorteil stellt sich nach heutigem Standpunkt als wissenschaftlich nicht haltbar heraus. Ärztliche "Fehlschüsse" und Fehlschlüsse waren anno 1954 keine Seltenheit: Man denke nur an die unsinnige These, zu viel Flüssigkeitsaufnahme schade dem Körper des Sportlers, er müsse schließlich wieder alles ausschwitzen, was schließlich dazu führte, daß auch Sepp Herberger seinen Spielern umfangreiche Wasseraufnahme verbot. 

 

Was die leistungssteigernde Wirkung von Loogens Spritzen anbelangt, so liegt diese mehr im sog. Placebo-Effekt begründet, als daß sie tatsächlich eine Wirkung entfalten könnte, wie dies heutige Doping-Mittel tun. Doping an sich ist bei Fußballern, im Gegensatz zu Ausdauersportlern (Läufer oder Radfahrer zum Beispiel) kaum ein Thema, da bloße Laufkraft, die durch die Einnahme diverser Präparate gesteigert werden könnte, nutzlos ist, wenn man nicht mit dem Ball umgehen kann und die Laufwege der Mitspieler nicht kennt. Der Vergleich von bekannten Doping-Sündern bei Fußballweltmeisterschaften und Olympiaden sagt hierzu viel aus.

 
 Fazit
 

Nach allen zur Verfügung stehenden Informationen scheint es nicht geboten, von Doping nach heutigem und damaligen Verständnis zu sprechen. Daß tatsächlich Spritzen verabreicht wurden, die wohl auch die Hepatitis-Erkrankung (aufgrund mangelhafter Sterilisation verursacht) einiger Spieler begründen, ist unbestritten. Eine leistungssteigernde Wirkung kann den verabreichten Substanzen nach medizinischen Aspekten allerdings nicht zugeschrieben werden.

 

Fünfzig Jahre nach dem Endspielsieg gegen Ungarn gibt es wenige bis kaum neue Erkenntnisse zum Thema "Wunder von Bern", die für die Allgemeinheit interessant sein dürften. Zahlreiche Publikationen zum Thema, vor allem aus dem Jahre 2004, gehen inhaltlich kaum über den Wissensstand von 1954 und den Folgejahren hinaus. Von daher besteht natürlich ein gesteigertes Bedürfnis, der Öffentlichkeit "neue" Erkenntnisse und Sensationen zu vermelden. Daß hier widerlegbare Indizien dazu verwandt werden, Doping- Vorwürfe zu etablieren, spricht mehr dafür, daß es weniger um die Wahrheit geht, als vielmehr um die sensationelle und leicht zu verkaufende Nachricht an sich.

 
 

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